28. Juli 2022
Bei all den kurzfristigen Terminen, den variablen Textbausteinen und ständigen Updates sucht man nach Konstanten. Meine Suche nach Gleichartigem fixiert sich auf die Natur. Bilder von Bäumen, von Totholz, von Kreisläufen der Jahreszeiten sammeln sich in Form von Fotos auf externen Festplatten.
Eines der ständigen Sujets ist ein Feld. Es könnte irgendein Acker sein. Es ist mir aber schon bei meiner ersten Wanderung vor Jahren besonders aufgefallen.
Das Feld in einer hügeligen Landschaft vor einem Wald. Einfach ein Feld! Einfach ein Feld? © HWR
Vom gegenüberliegenden Hügel sieht es aus wie ein ausgebreitetes Leintuch. Das merkwürdige dabei: ringsum ist eine Matte, Grasland, auf dem nichts angebaut wird.
Je nach Jahreszeit, je nach Bepflanzung auf diesem Feld – Mais, Hafer, Raps usw. – entsteht ein anderes Bild. Auch die Tages- und Jahreszeiten, die Sonnen- oder Mondbeleuchtungen verändern die Komposition.
Beschreibe ich das alles irgendjemanden, ohne Fotos zeigen zu können, kommt nur ein Achselzucken, eine hochgezogene Augenbraue. Was soll's?
Sehr selten sieht man Jogger, Reiter, Hundebesitzer dort. Erst recht nicht am frühen Morgen © HWR
Wer die Bilder sieht, die im Laufe der Zeit entstanden sind, wird interessierter, die unterschiedlichen Stimmungen gefallen. Mir als «Schreibender» wird bewusst, wieviel es braucht, um etwas mitzuteilen, das ungewöhnlich und doch gewöhnlich ist. Wie ein Feld eben...
«Das Feld» – na ja, es könnte der Titel eines Romanes sein. Doch da muss schon viel passieren: neben, am und im Feld! Zudem hat Robert Seethaler bereits diesen Stoff durchgepflügt.
Ein Gedicht? – Ja vielleicht übe ich daran, ohne Mörike oder Eichendorff kopieren zu wollen. Es ist die Einzigartigkeit des Banalen, oder die Banalität des Einzigartigen, die in solcher Lyrik kraftvoll werden sollte.
Selbst im Winter bleibt das Feld ein Feld. Es wird sogar noch mehr zum weißen Betttuch © HWR
Und wie ist es mit realen Bezügen? – Als Ghostwriter komme ich immer wieder an einen Punkt (oder besser an einen Gedankenstrich), wo immer das Gleiche anders und neu gesagt werden soll.
Noch verzwickter wird es, wenn verschiedene Gesprächspartner zum gleichen Thema etwas beitragen wollen. Jeder sieht das Gleiche, aber alle drücken sich anders aus. – Es gibt natürlich auch den umgekehrten Fall: niemand sieht genau hin und alle drücken sich vor präzisen Aussagen...
Wenn der Mond schon zu sehen ist, während die Sonne untergeht, könnte man meditieren © HWR
Das ewig Gleiche ist ein Oxymoron, weil alles immer in Veränderung ist. Immer – und sei es nur in langen Zeiträumen, welche die Merkmale der Veränderung verwischen.
Dann passiert es, dass alle Zeitungen voll sind, alle News-Meldungen sich überstürzen. Ein Kriegsausbruch – er kommt nie plötzlich. Er kommt nur zu einem Zeitpunkt, den die wenigsten erwarten...
Das ist dann – ganz ohne Krieg – bei «meinem» Feld manchmal auch so. Unerwartet zeigt es sich sogar im Winter grün. Oder ist es Grün und der erste Schnee kommt unerwartet?
Erwartungen sind dazu da, das Unerwartete zu verdrängen. Oder, um sich an schönem Unerwarteten noch mehr zu freuen © HWR
Noch ein Nachtrag – weil Dasselbe nie das Gleiche ist – Bild vom Spätsommer 2022:
Spätsommer 2022: Man finde die 130'000 Unterschiede.... © HWR