22. Mai 2020

Noch nie habe ich die Wälder so voller Menschen gesehen, wie in den letzten Corona-Wochen: Biker, Wanderer, Familien, Jüngere, Ältere. An den Picknick-Plätzen bildeten sich Warteschlangen wie vor den WC-Rollen-Regalen zu Beginn der Corona-Pandemie.

Was machen die Bäume mit all diesem Getümmel? Und kommen sie überhaupt mit ihrem Programm klar, den ganzen Sauerstoff zu produzieren, der ringsumher verbraucht wird. Ich habe mich einmal exemplarisch intensiver mit der Eiche befasst.

Schließlich gehört die Eiche zu den Methusalems in unseren Breiten, und sie hätte dementsprechend viel zu erzählen. Eine Stieleiche in Nöbdenitz (Thüringen) wird als die älteste Deutschlands gerühmt – mit über 800 Jahren und einem Stammumfang von 10 Metern.



Ein junger Eichentrieb. Ob er an diesem Standort überlebt, ist fraglich. / Foto: H.W.R.

In der Schweiz stammt die älteste Eiche aus Zürich – allerdings nicht mehr «lebendig». Sie wurde 2011 in Zürich gefunden und zurückdatiert auf etwa 8600 vor Christus. Dagegen ist die 400 Jahre alte Eiche «Chêne des Bosses» im Jura ein Jüngling.

Aber zurück zum CO2-Sauerstoff-Haushalt. Ein durchschnittlicher Schweizer hinterlässt pro Jahr – ohne all seine belastenden Aktivitäten – nur durch seinen eigenen Schnauf rund 2000 kg CO2. Eine Eiche mit einer Höhe von etwa 30 Metern und einem Durchmesser von vier Metern kann pro Jahr ungefähr dieselbe Menge CO2 binden. Rechne: Einwohnerzahl, dividiert durch Anzahl Bäume, plus sonstige CO2-Emissionen gleich: Disaster!




Die Rinde der Eiche ist Lebensraum für Tausende Kleinstlebewesen. Früher wurde sie zum Gerben von Leder verwendet (Tannine).
/ Foto: H.W.R.

Dabei haben die Bäume und die Eichen im Moment Wichtigeres zu tun, nämlich zu überleben. Die Temperaturen in der Schweiz sind seit 1864 um fast 2 Grac Celsius gestiegen. Die Sommertemperaturen sollen laut Prognosen bis Ende des 21. Jahrhunderts um bis zu 5 Grad steigen, umgekehrt sollen die Sommerniederschläge um bis zu 25 Prozent abnehmen.

Doch Bäume wie die Eiche können lernen – und sie passen sich an. Je älter eine Eiche ist, desto größer also ihre Widerstandsfähigkeit. Die tiefreichenden Wurzeln können weit unten fließende Grundwasserströme erreichen. Und das feine Wurzelwerk ist mit Pilzfäden in ständiger Kommunikation mit der Umgebung.

Es ist anzunehmen, dass es die Eiche, im Gegensatz zu Buchen, länger in den jetzigen Lagen aushält. Zurzeit machen in den Schweizer Wäldern die Eichenarten nur rund 2,5 Prozent aus. Die Stieleiche davon wiederum 39 Prozent.




Eine von zahlreichen Eichen auf der Nenzlinger Weid im nördlichen Jura. Man stelle sich auch einmal die Wurzelmasse vor: rund 500 kg pro Baum
/ Foto: H.W.R.

Als Kind war mir die Eiche allgegenwärtig. Auf den damaligen deutschen 50-Pfennig-Münzen war eine junge Frau eingeprägt, die eine Eiche pflanzte. Und ja, die Künstlerin, die dargestellt wurde (Gerda, Jo, Werner) war in Offenbach geboren. Dort, in Offenbach, spielte ich Fußball in einem Verein, er hieß «Eiche Offenbach»...

Die Eiche, als Symbol für Beständigkeit und Widerstandskraft könnte in der heutigen Zeit wieder mehr an Bedeutung gewinnen. Und es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte, dass eine Woge des Baumpflanzens bzw. Eichelsteckens durch die Bevölkerung geht. Dann würde es sicher gelingen, die Eichen in unseren Breitengraden zu erhalten.




Schnitt durch einen verkohlten Eichenast. Aus Versuchen von Richard Ch. Brown zur Nutzung für Holzgasmotoren. / Foto: H.W.R.

Ob es ausreicht, die Balance von Sauerstoff und CO2 wieder herzustellen bleibt noch offen. Zu hoffen ist, dass die Symbiose Mensch / Bäume / Wald in Zukunft stärker beachtet wird. Nicht nur in unseren Wäldern, sondern insbesondere auch in den Tropen.



Der Kreislauf kann weitergehen. Im modernden Laub finden Eicheln neue Wurzeln.  / Foto: H.W.R.